Am Anger 03-32
Der nahezu rechteckige Anger von Rasdorf ist mit seiner Ausdehnung von ca. 170 mal 70 Metern der größte Dorfplatz Hessens. Bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts war der Anger an drei Seiten mit Ausnahme weniger Dreiseithöfe von engen Hakenhöfen mit giebelständigen Wohnhäusern umgeben; die nördliche Seite wurde von Stiftskirche und Stiftsbezirk begrenzt. Infolge zweier verheerender Großbrände, die 1911 und 1925/26 den Ort heimsuchten, wurde die ursprünglich einheitliche Bebauungssituation aufgelöst. Beim Wiederaufbau wurden drei Höfe an den Ortsrand verlegt. Die am Anger aufgegebenen Hofplätze wurden benachbarten Hofstellen zugeschlagen. Auf den so vergrößerten Bauplätzen konnten nun anstelle der engen Hakenhöfe geräumigere Anlagen errichtet werden. In etlichen Fällen wurde der Wohnteil dabei in eigenes traufenständiges Gebäude neben der Hofeinfahrt verlegt. Auf diese Weise entstand vor allem auf der östlichen Seite des Anger ein regelloses Nebeneinander traufen- und giebelständiger Häuser, die zudem oft in Massivbauweise (meist Backstein) errichtet wurden. Die im südlichen Teil der westlichen Hofreihe des Anger vom Feuer verschonte und noch lange erhaltene Reihe ursprünglicher Hakenhöfe wurde in den letzten Jahren durch z. T. unmaßstäbliche Neubauten inzwischen ebenfalls aufgelöst (zuletzt Haus Nr. 16). Lediglich das giebelständige Fachwerkhaus Am Anger 19 auf der Ostseite und das traufenständige Fachwerkhaus Am Anger 18 auf der Westseite sind als letzte bauliche Zeugnisse aus der Zeit vor 1900 erhalten. Obwohl das Erscheinungsbild des Platzes vor allem hinsichtlich der Haus- und Gehöftformen sowie des Baumaterials erheblich umgestaltet wurde, waren die Veränderungen im Ortsgrundriss vergleichsweise gering. Rasdorf, an einem bedeutenden frühgeschichtlichen Verbindungsweg zwischen Rhein-Main-Gebiet und Thüringen gelegen, ist als religiöses und verwaltungstechnisches Zentrum seit dem 9. Jahrhundert nachweisbar. Der ungewöhnlich große Dorfplatz wird immer eine vielschichtige Funktion als Rast- und Lagerplatz für Handelskaufleute, als Markt- und Versammlungsplatz gehabt haben. Gerade in der Tatsache, das der Anger bis heute in seiner Ausdehnung erhalten und unbebaut geblieben ist, liegt seine historisch erkennbare Bedeutung.