Wallufer Straße 1-75
Zwischen Wallufer Straße (B 42a) und Rhein einschließlich des Geländes zwischen Burg und Freigässchen sowie des Burg Crass-Geländes
Im 18. Jh. war die über dem Leinpfad relativ steil ansteigende Uferzone zwischen Eltville und Walluf als Weinberg (Flurbezeichnung Rheinberg, Weinberg in den Rheinbergen) und Ackerfeld, teilweise vom nahegelegenen Steinheimer Hof aus, landwirtschaftlich genutzt; außerdem lag hier außerhalb der Stadt eine Gerichtsstätte mit Galgen.
Nach Abtrennung des schmalen Uferstreifens vom Hinterland durch Ausbau der Rheingauer Chaussee und Eisenbahn entwickelte sich dieses Gebiet seit dem frühen 19. Jh. zur bevorzugten Siedlungslage vermögender Bauherren. Beginnend mit dem im Ursprung mittelalterlichen, zum Landsitz umgestalteten Adelshof der Burg Crass vor den Toren der Stadt entstand eine fortlaufende Reihe opulenter klassizistischer und gründerzeitlicher Villen überwiegend als Sommersitze auswärtiger Unternehmer. Die repräsentativen Bauten verlangten als entsprechenden Rahmen ausgedehnte Parkanlagen sowie die zur Eigenversorgung nötigen Ökonomiegebäude, die am Rande der Grundstücke eigene Komplexe bildeten; hinzu kamen technische Bauten wie Maschinen- und Pumpenhäuser, Eiskeller und Wassertürme, die in romantischen Architekturen versteckt wurden. Für die Planungen wurden (soweit bekannt) renommierte Eltviller, aber auch Frankfurter und Berliner Architekten und Gartengestalter hinzugezogen.
In der Folge des Ersten Weltkrieges kam es zu Verkäufen und Grundstücksteilungen. 1936 standen acht Villen leer, galten von der Ausstattung nicht mehr als zeitgemäß; Abbruchanträge (Villa Rheinberg, Villa Margarethe) wurden gestellt, Neubauten konnten wegen Schwierigkeiten der Materialbeschaffung nicht realisiert werden. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Villa Rheinfried (Nr. 25) vollständig vernichtet.
In der Nachkriegszeit wurden zahlreiche Villen in Einzelwohnungen unterteilt, ehemalige Ökonomiehöfe Wohnzwecken zugeführt und weitere Freiflächen für Obst- und Gemüseanbau genutzt sowie zusätzliche Neubauten errichtet. In jüngster Zeit kam es verstärkt zu Bemühungen der Wiederherstellung von Bauten und Parkanlagen.
Heute zeigen die meisten Villen äußerlich einen relativ guten Erhaltungszustand, während Nebengebäude oft stark verändert oder entfernt wurden. Die weiträumigen Gärten lassen noch zahlreiche sichtbare Strukturen ihrer ursprünglichen Gestaltung erkennen. Dazu gehören Vorfahrtsrondelle und -alleen, Einzelbaumpflanzungen, Wege- und Treppenanlagen am Rheinhang sowie Pergolen, Spaliere, Hecken und Nutzgartenzonen. Sie weisen dabei eine jeweils ähnliche Gestaltungs- und Formensprache auf, die einen übergeordneten Planzusammenhang erkennen lässt. „Mit gebührendem Abstand zum Nachbarn thront die Villa auf der Hangkante; die intensiv gestaltete Umgebung ... bietet eine Plattform, auf der sich in rhythmischer Folge die Villen präsentieren." Dies gilt in erster Linie für die Rheinansicht als Schauseite der sog. Rheingauer Riviera, einer durch die naturgegebene Flussuferlage und die planvolle Großzügigkeit der Bebauung herausragenden und einmaligen Situation. Unterschiedlich gestaltete Böschungsmauern schließen die Gärten zum Leinpfad hin ab.
Zu einzelnen Objekten siehe Kulturdenkmäler (Wallufer Straße).
Weitere Einzelbauten (Bestandteile der Gesamtanlage):
Wallufer Straße 4: 1888, Wohnhaus Jakob Kohlhaas, Architekt: Gebrüder Kahm
Wallufer Straße 6: 1903 ? 1920 Preußische Weinbau- und Kellereidirektion
Wallufer Straße 8: 1886 Wohnhaus nebst Stallung für Joseph Raschi, Architekt: Carl Baer
Wallufer Straße 23: 1875 Wohnhaus Carl Racké. 1887 Ökonomiegebäude zu Villa Firmenich, Architekten: Gebrüder Kahm. Um 1900 Villa Rheinschlucht. 1902 Anbau an Villa J. Schultz, Architekt: Fritz
Wallufer Straße 65: Erbaut um 1864 (inschriftliches Baudatum in Nebengebäude), Bauherr: Marcuse (Mitbegründer der Deutschen Bank 1870). 1904 Villa Margarethe nach Eigentümerin Margarethe Marcuse. 1907 Umbau und Vergrößerung der Villa Hagedorn auf 30 Zimmer für Hermann Hagedorn (ausgewandert nach Amerika, 1905 Rückkehr als vermögender Unternehmer, †1919 in Göttingen). Architekten: Kayser & von Groszheim, Bonn. Beschlagnahmung durch französische Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg, 1932 Abbruchantrag des H. Hagedorn (abgelehnt). 1933 Schule für Hitlerjugend, dann Kommandostelle, nach dem Zweiten Weltkrieg Aufnahme von Flüchtlingen. 1946 Verkauf von Teilen des Anwesens (Gärtnerhaus). Um 1960 Umbau in ca. 20 Wohneinheiten. Im Park Reste der ursprünglichen Anlage mit Wasserturm.