1960-62 auf einem ehemaligen Landgut mit Bestandsbauten errichtete Buchhändlerschule des Deutschen Buchhandels, 1971/72 erweitert, 2007-10 saniert und 2018/19 erweitert.
Geschichtliche Informationen
Am 15. Mai 1960 legte man den Grundstein zum Bau der „Buchhändlerschule des Deutschen Buchhandels“ von Walter Schwagenscheidt und Tassilo Sittmann. Die Einweihung der Schule fand am 16. August statt. Die Neubauten (Nrn. 3, 4, 6, 7, 8) wurden auf einem nach Norden ansteigenden Grundstück eines landwirtschaftlichen Gehöfts mit Bestandsbauten (Nrn. 1, 7 (teilw.), 13) errichtet. Zur Energieversorgung auf dem Campus wurde zwischen Mensa und Gehöft ein Trafohäuschen gebaut. 1969 plante man die Einrichtung einer „Fachschule des Deutschen Buchhandels“. 1970 wurde in einem Wettbewerb die Erweiterung des Schulinternats gefordert: ein neues Wohnheim, neue Unterrichtsräume, ein Gemeinschaftsbau, eine Lehrbuchhandlung sowie weitere Räumlichkeiten für Gastdozenten und die Verwaltung. Das Ensemble wurde 1971/72 durch die Frankfurter Architekten Wolfgang Bader und Dietrich Wilhelm Dreysse erweitert (Nrn. 1 (teilw.), 2, 5, 9, 10, 12). 1972 nahm die Fachschule ihren Unterricht auf. Später folgten kleinere bauliche Erweiterungen (Nrn. 11 und ein Hausmeisterhaus ganz im Nordosten des Grundstücks, heute in privater Nutzung). 2007 erfolgte die Umwidmung der Schule in „mediacampus frankfurt“. Letzte bauliche Erweiterung ist ein Atriumhaus von 2018/19.
Beschreibung / Analyse
Die Neubauten der ersten Bauphase 1960-62 wurden in Stahlbetonkonstruktion mit Backsteinausfachung ausgeführt und waren ursprünglich nicht geschlämmt oder verputzt. Sämtliche Häuser wurden als kubische Bauten mit Flachdächern ausgeführt. Der Bau der Schule erfolgte fast zeitgleich mit dem Baubeginn der Frankfurter Nordweststadt, deren Konzeption als Raumstadt sich im Entwurf der Buchhändlerschule niederschlug. Das Freiraumkonzept sah die Verbindung sämtlicher Bauten durch Wege und Platzanlagen sowie deren Einbettung in Grünflächen vor. Plätze und Wege sind erhalten, deren Pflaster wurde erneuert. Die Räumlichkeiten zur Erschließung der Gebäude (Flure und Treppen) sind weitgehend erhalten und bauzeitlich (Nr. 3, 4, 6, 7, 8), dazu zählen die Stahl-Glastüren der Hauseingänge, Treppen mit schwarzen Terrazzostufen, schlichte Handläufe aus glatten Eisenstangen, Geländer mit angeschweißten Betonstahlmatten als Absturzsicherung, backsteinsichtige Innenwände, Fußböden aus hellbraunem Naturstein und schwarzen Terrazzoplatten, schalungsraue Betondecken mit schüsselartigen Deckenleuchten. In den Wohnräumen finden sich sowohl steinsichtige Wände, bauzeitliche Heizkörper als auch bauzeitliche Fenstervorhänge zum Verdunkeln. Der weiße Anstrich der Bauten erfolgte nach Vorgabe der Architekten: „Deshalb wurde hier der seit alters bewährte Ziegelstein gewählt, der gestrichen werden soll, wenn der Ausblühprozeß abgeschlossen ist.“ (Schwagenscheidt 1962).
Für die Erweiterung 1971/72 wurde das Ensemble unter Wahrung des Baubestandes weiter entwickelt. Die Bauten von Bader und Dreysse wurden in modularer Stahlbetonkonstruktion mit weißen Kalksandsteinziegeln für die Wände ausgeführt und ordnen sich den funktionalen und technischen Prinzipien der Bauten von Schwagenscheidt und Sittmann unter. Die Gebäude dieser Bauphase sind heute komplett saniert. Die Innenwände sind weiß gehalten, die Treppengeländer und Handläufe wurden rot abgesetzt. Die Gebäude wurden gedämmt, sämtliche Türen und Fenster wurden in Kunststoff ausgeführt.
Beschreibung der einzelnen Häuser nach schulinterner Nummerierung
Haus 1
Der ehemalige, im Grundriss L-förmige Gutshof mit Satteldach ist in Ziegelbauweise errichtet und stößt südlich an einen Querbau (Nr. 13). Der Gutshof wurde für die Unterbringung des Dienstpersonals der Buchhändlerschule genutzt und zu diesem Zweck umgebaut. An der Ostseite wird das zurückspringende Obergeschoss von einem Laubengang erschlossen und ist durch eine angebaute Außentreppe erreichbar. Entlang des Laubengangs liegen die einzelnen Büros. Ein Durchgang im nördlichen Querflügel erschließt den Campus im Norden. Dem Nordflügel wurde bereits in den 1960er Jahren auf der Nordseite eine komplette Raumschale vorgebaut und ein neues Satteldach aufgesetzt. Dieses wurde in den 1970er Jahren ausgebaut und für die Unterbringung weiterer Büros umgestaltet. Das Gebäude ist heute weiß gestrichen und wird von der Verwaltung genutzt.
Haus 2
Im Grundriss rechteckiger Wohnbau in Nord-Süd-Ausrichtung, der als Erweiterung des alten Wohnkomplexes (Nr. 3 und 6) fungiert. Er wurde in Stahlbetonkonstruktion errichtet und mit weißen Kalksandsteinziegeln geschlossen. Die Kubatur des Baukörpers wird durch große Fensteröffnungen im Erdgeschoss sowie durch Aussparung ganzer Raumkuben an der Südwestecke aufgebrochen und passt sich damit der aufgelockerten Struktur der Altbauten an. Der Außenbau und die Innenräume sind heute komplett saniert und wärmegedämmt.
Haus 3
Haus 3 dockt nördlich an Haus 6 an, zu dem es funktional als Wohn- und Freizeitgebäude gehört. Mittels der Stahlbetonkonstruktion wurden einzelne Raumkuben geschaffen und miteinander kombiniert. Zur Erschließung der Wohn- und Schlafräume schufen die Architekten zu Räumen aufgeweitete Flure. Sie dienen als Kommunikationsorte für die Bewohner. Dazu zählt auch ein zweigeschossiger Freizeitraum in der Südwestecke des Gebäudes. In diesen Raumabschnitten finden sich bauzeitliche Ziegelwände und Ausstattungselemente (Stahl-Glastüren und -wände, Heizkörper und Fenstervorhänge). Flure und Treppen sind bis auf einzelne Türen praktisch unverändert. Im Sockelgeschoss hat sich im Treppenhaus ein hölzernes Briefboard erhalten.
Haus 4
Haus 4 besaß ursprünglich die Funktion eines Gemeinschaftshauses mit Schlaf-, Wohn-, Arbeits- und Küchenräumen. Die Erschließung des L-förmigen Gebäudes ist komplett bauzeitlich (vgl. Nr. 3). Seine äußere Gestalt (weiß gestrichene Ziegelwände) irritiert durch gedämmte Kunststofffenster, die plastisch aus der Fassade herausragen.
Haus 5
Das drei- bis viergeschossige Gebäude wurde als Wohnbau zur Unterbringung weiterer Schüler errichtet und besaß ehemals an seiner Westseite einen doppelgeschossigen gläsernen Erker mit Pyramidendach (wohl eine Bezugnahme auf den zweigeschossigen Freizeitraum in Haus Nr. 3). Er ist heute durch eine flache Glasfront mit gläsernem Flachdach geschlossen. Die Wohnräume sind durch hochrechteckige Fensteröffnungen gekennzeichnet, die Bäder durch Bullaugenfenster.
Haus 6
Zwischen die beiden Wohnkomplexe 2 und 3 wurde eine ursprünglich komplett geöffnete Stahlbetonkonstruktion mit mittig liegender „Installationszelle“ gesetzt. Das ursprünglich offene Erdgeschoss diente als Kommunikationsort und wurde 1971/72 durch bündig mit der Fassade abschließende Glasfenster geschlossen. Darüber befinden sich die Wohnräume (vgl. Haus Nr. 3). Das 2. Obergeschoss war als Freigeschoss ausgebildet und wurde 1971/72 aufgestockt.
Haus 7
Östlich des Gutshofs errichteten die Architekten eine Mensa mit zwei Speisesälen. In deren Vorraum sowie in den Speisesälen finden sich bauzeitliche Bodenfliesen und teilweise steinsichtige Backsteinwände. Im kleinen Speisesaal hat sich zudem ein bauzeitlicher Wandschrank erhalten. Der Küchentrakt sowie Lager- und Personalräume wurden im Laufe der Jahre nutzungsbedingt komplett verändert. Die Neubauten der Mensa docken an ein altes Stallgebäude des Gutshofs mit Zollingerdach an. Dieser Bau ist heute, innen wie außen, komplett überformt und als Altbau nicht mehr erkennbar.
Haus 8
Das Schulungsgebäude kombiniert drei Klassenräume kreuzförmig um eine zentrale Erschließung mit Treppenhaus, WCs, Vorräumen und Wandnischen. Die Ausgestaltung der Innenerschließung ist bauzeitlich (Vgl. Haus Nr. 3), während die Klassenräume komplett überformt wurden. Im ersten Stock des Schulungsgebäudes findet sich ein alter Setzertisch mit Drehschwingsitz nach dem Patent von Ernst Neufert (vgl. Bauentwurfslehre, 1936). Seine Herkunft ist unklar. Der Außenbau wurde ab 2007 komplett erneuert, wobei die Fenstergestaltung der bauzeitlichen angepasst wurde.
Haus 9
Das Bibliotheksgebäude folgt in der Ausformung seiner Gebäudekubatur dem Prinzipien der Altbauten. Mehrere Raumkuben wurden ineinander geschoben und bilden gleichzeitig eine Eingangszone um einen dreiseitig geschlossenen Hof. Das Gebäudeensemble wurde ab 2007 komplett erneuert.
Haus 10
Das an die Bibliothek anschließende Seminargebäude folgt in seiner Gestaltung Haus Nr. 9. Es wurde ab 2007, innen wie außen, komplett erneuert.
Haus 11
Das Gebäude steht anstelle einer 1972 errichteten Holzbaracke, die als Unterrichtsraum diente. Der heute sogenannte Pavillon wurde in den späten 1970er Jahren errichtet und wird für öffentliche Veranstaltungen genutzt. Die Fassade des kubischen Baukörpers besteht aus geschosshohen Fensterachsen mit hochrechteckigen Holzfenstern und Brüstungselementen aus Sandwichpaneelen sowie geschosshohen, weißen Sandwichpaneelen. Eine zum Dach hin grau abgesetzte Wandzone aus Sandwichpaneelen schließt das Gebäude ab.
Haus 12
Die eingeschossige Buchhandlung steht heute im Zentrum der Anlage und wurde aus weißen Kalksandsteinziegeln gemauert und mit Betonträgern gedeckt. Dies ermöglichte großzügige Schaufensteröffnungen für das „Bespielen“ der ehemaligen Lehrbuchhandlung. Das Gebäude ist heute im Innern komplett saniert.
Haus 13
Der Querbau des ehemaligen Gutshofs in Ziegelbauweise, der mit einem biberschwanzgedeckten Satteldach versehen wurde. Mit Klappläden bestückte Fenster gliedern das Erdgeschoss des Hauses, das wie der übrige Teil des Gutshofs weiß geschlämmt wurde. Das ehemalige Wohngebäude wird heute als Seminar- und Bürohaus genutzt.
Haus 14
Der Atriumsbau eines Wohnkomplexes an der Südwestecke (Nr. 14) wurde durch das Büro ADNOVUM Architekten PartGmbB 2018/19 geplant und errichtet. In seiner äußeren Gestaltung passt sich der Komplex den übrigen Bauten an.
Störungen und Veränderungen in jüngster Zeit
Bis zur grundlegenden Sanierung des Ensembles ab 2007 hatte ein kompletter Austausch der Fenster stattgefunden. Den Auftrag für die energetische Sanierung des Ensembles erhielten nach einem Wettbewerb 2006 die Architekten Dirk Miguel Schluppkotten und Karsten Schubert. Die Sanierung von 2007-2010 brachte den erneuten Austausch der Fenster mit sich. Die großformatigen Holzfenster wurden im Gegensatz zu den alten Fenstern in die Ebene der Dämmung eingebracht. Im Brüstungsbereich der zweiten Bauphase unter Bader und Dreysse wurden Blindfenster durch Glas ersetzt. Die Gebäude der zweiten Bauphase – das gilt für das Wohnheim im Osten und die Bibliothek (Nrn. 2, 5, 9, 10 und 12) – wurden auch im Inneren modernisiert und aktuellen Forderungen des Brandschutzes angepasst.
Begründung
Trotz aller Erweiterungen und äußeren Veränderungen ist das von Schwagenscheidt und Sittmann bereits in der Nordweststadt verfolgte Konzept einer Raumstadt im Kleinen auch in der Buchhändlerschule bis heute nachvollziehbar. Sowohl die funktionale Trennung und räumliche Anordnung der Bauten als auch die zugehörige Freiraumgestaltung sind bis zum heutigen Tag nachvollziehbar. Von besonderem Wert sind die Altbauten des Gutshofs sowie die Bauten der ersten Bauphase 1960-62 (Schwagenscheidt/Sittmann), insbesondere deren Innenräume (Flure und Treppenhäuser). Hier haben sich bauzeitliche Oberflächen und Einbauten erhalten, die das gestalterische und funktionale Konzept der Buchhändlerschule ablesbar machen. Die Schule steht als Sachgesamtheit aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen unter Denkmalschutz.