flaechendenkmal.LFDH35619011559003

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Die Gesamtanlage von Lohra breitet sich in der Grundform eines angenäherten Rechtsecks vom Ufer der Salzböde im Südwesten bis zum Kirchhof im Nordosten aus. Die südöstliche Begrenzung verläuft entlang dem Hollersgraben, im Nordosten bilden die Parzellen am Kirbach den Abschluss. Die topographische Situation der Anlage ist insofern bemerkenswert, als das Gelände vom Lauf der Salzböde stetig ansteigt und in der auf romanische Ursprünge zurückgehenden Kirche mit dem großen Haubendachreiter seinen städtebaulichen Hochpunkt findet. Die vermutete wehrhafte Begrenzung in Form eines Wallgrabens bezog den in seiner Ummauerung noch heute erhaltenen Kirchhof mit ein, sie verlief wohl entlang der heutigen Schulstraße nach Südwesten bis zur Wallgasse, bog hier rechtwinklig ab und reichte bis zum steilen Abhang, der jenseits der Lindenstraßenparzellen zum Kirbach hinunter fällt. Nachzuvollziehen ist der Grabenverlauf teilweise nur noch an den Parzellenzuschnitten.

Der Kern der aus dem 18. Jh. erhaltenen historischen Bebauung zieht sich vom Nordosten beginnend mit der Schulstraße entlang der Lindenstraße über den östlichen Zweig der Marburger Straße bis zur Kreuzstraße. Nordwestlich der Bebauung entlang der Lindenstraße fällt das Gelände steil zum Kirbach ab, der hier verrohrt ist und nach dem die heutige Straße benannt ist. Die zweimalige Verschwenkung der eng geführten Straße legt in diesem Bereich Sichtachsen an, die insbesondere die Wohnhäuser Kirbach 9 und 10 in den Blickpunkt stellen.

Als Hauptachse ist die Lindenstraße von prägender Bedeutung für das Ortsbild. An der Marburger Straße mit einer platzartigen Aufweitung beginnend zieht sie sich mit einer Einschnürung im mittleren Bereich den Hang hinauf. Während im unteren Bereich die Wohnhäuser Lindenstraße 2 bis 12 giebelständig dicht an der Straße angeordnet sind, stehen die Häuser Nr. 13 bis 20 traufständig und eher zurückgesetzt. Am Lindenplatz knickt der Straßenverlauf ab in die Schulstraße. Hier bilden die vier Eckgebäude Lindenstraße 21 und 26 sowie Lindenplatz 1 und 2 mit Fachwerkkonstruktionen der Bauzeit von 1702 bis 1773 ein bedeutendes städtebauliches Ensemble aus. Oberhalb dieser Kreuzung entwickelt sich der leicht divergierend angelegte Lindenplatz, dessen Randbebauung Nr. 3 bis 7 dem frühen 18. Jh. zuzuordnen ist. Während der anschließende Kirchhof hinter der Bebauung etwas verborgen bleibt und nur an seiner Westecke sichtbar wird, bildet die in die Mauer eingewachsene großvolumige Linde den Endpunkt der zentralen Sichtachse.

Städtebaulich prägnant stellt sich die Schulstraße im Verlauf zwischen Lindenplatz und Einmündung Hollersgraben wegen des schmalen Straßenquerschnitts und der beidseitig nahezu geschlossenen Bebauung dar. Hier treten in der Sichtachse der Schulstraße das kleine Wirtschaftsgebäude und das Wohnhaus von Schulstraße 8 im Ortsbild besonders hervor.

Im südlichen Bereich der Gesamtanlage setzt der bogenförmige Verlauf der Marburger Straße einen städtebaulichen Akzent. Am höchsten Punkt des Bogens trifft die stark gefahrene Durchgangsstraße mit der Lindenstraße zusammen und bildet hier die dreieckige Platzaufweitung als Auftakt der sich zur Kirche hin entwickelnden städtebaulichen Hauptachse. Der von Damm herführende Bereich der Marburger ist von kleineren Zwei- und Dreiseithöfen mit in der Regel giebelständigem Wohnhaus bestanden, die während des 19. Jh. entstanden sind. Lediglich der translozierte Rähmbau Nr. 24 und das Wohnhaus Nr. 20 gehören dem 18. Jh. an. Gleichfalls in diese Bauzeit sind die an der Einmündung Kreuzstraße angesiedelten Drei- und Vierseithöfe zu datieren. Als markanter Blickpunkt im Bereich dieser Platz artigen Aufweitung nimmt die Hofanlage Marburger Straße 10 mit dem in den Straßenraum ragenden Wohnhaus und dem kleinen in der Sichtachse liegenden Wirtschaftsbau eine wichtige Stellung im Ortsbild ein. Im weiteren Verlauf der Marburger Straße bilden die kleinen, am südwestlichen Straßenrand angeordneten Hofanlagen Nr. 8 bis Nr. 2 eine nahezu geschlossene Bebauung, die wegen des hier eingeengten Straßenraumes als Raumkante besonders zur Geltung kommen. Im Bereich der Bahnhofstraße 1 bis 7 setzt sich diese Randbebauung fort und schafft so die untere Raumkante für die Hauptachse der Lindenstraße. An der Kreuzung mit dem Straßenzug Biegenstraße / Kirbach weitet sich die Bahnhofstraße erneut auf, und der sich zur Straße öffnende Hakenhof Bahnhofstraße 10 leitet in den mit zahlreichen denkmalgeschützten Hofanlagen versehenen Kirbach ein. Die dortige, dicht gestaffelte Bebauung ist zwischen der ersten Hälfte des 18. Jhs. und dem frühen 19. Jh. entstanden.

Wie auch in anderen Dörfern entwickelt sich in der Folgezeit der Gründerjahre am Ende des 19. und am Anfang des 20. Jh. entlang der aus dem Ort führenden Hauptstraßen eine rege Bautätigkeit. Es entstehen an den Ausfallstraßen zum einen noch in konstruktivem Fachwerk klassizistisch anmutende Bauten, zum anderen aber auch die ersten Massivbauten in meist unverputztem Ziegelmauerwerk. Als Vorbild diente sicher der Bahnhof, der außerhalb des Ortskernes im Westen bereits 1894 in zweifarbigem Ziegelmauerwerk errichtet wurde. Wenige Jahre später sind die ehemalige Volksschule von Lohra in handwerklichem Sichtmauerwerk und ein mit Sandsteineinfassungen versehener massiver Putzbau in der oberen Schulstraße erbaut. Diese massive Bauweise ist auch bei der Eselsmühle südöstlich außerhalb der Gesamtanlage zur Anwendung gekommen.

Die ältesten Häuser sind das Wohnhaus Lindenstraße 15, an dem rückseitig noch die aus dem 17. Jh. stammende Ständerkonstruktion erkennbar ist, und Lindenplatz 7, ein in das 17. Jh. datierender Rähmbau mit reichem Fachwerkdekor, das für Lohra maßgebend ist. Unter nahezu allseitiger Schiefer- oder Plattenverkleidung verbergen sich bei Lindenstraße 16 und 20 ebenfalls Ständerkonstruktionen des 17. Jhs., bei letzterem ist diese Gefügeausbildung sehr gut an der dem Wohnhaus zugehörigen gegenüberliegenden Scheune zu beobachten.

Das ab dem Ende des 17. Jhs. in Lohra einsetzende Rähmfachwerk ist reich an dekorativen Verstrebungsgefügen. Als Besonderheit sind die Mannfiguren zu nennen, deren senkrechter Stiel von zwei parallelen Stielen begleitet wird und so zu einer gestalterischen Steigerung der Mannform führt. Ältester Beleg und Vorbild für die nächsten Generationen ist das Wohnhaus Lindenplatz 7, das nach Überlieferung möglicherweise 1609 erbaut ist. Weitere Beispiele sind: Wohnhäuser Kirbach 9, Kreuzstraße 2, Lindenstraße 26, Lindenplatz 7, Schulstraße 6 und 10 sowie das ehemalige Wirtschaftsgebäude des Pfarrhofes Lindenplatz 5. Bei diesen zwischen etwa 1750 bis 1820 entstandenen Beispielen sind darüber hinaus von den Zimmerleuten zusätzliche Schmuckformen verwendet wie Fußhölzer an den Bund- und Eckstielen, in die bisweilen auch Halbrosetten eingeschnitzt wurden. Im Bereich des Geschosswechsels sind profilierte Balkenköpfe, Zahnschnittfriese sowie an den Füllhölzern Perlband- und Schiffskehlendekor in das Eichenfachwerk eingearbeitet: Torbau Lindenstraße 14, Wohnhaus Lindenstraße 26. In der Regel ins 18. Jh. gehört die Brüstungsverzierung mit Feuerböcken am Torbau Kirbach 1 und der Scheune Marburger Straße 3. In zahlreichen Beispielen ist die Verwendung von Kratzputz als Gefachzier belegt: Die Ausführungen an Marburger Straße 6 und 21 stammen aus dem 20. Jh.; ins 19. Jh. zu datieren sind die Arbeiten an der Scheunen Kreuzstraße 2 und Lindenstraße 20, am ehemaligen Rathaus Lindenplatz 1, am Wirtschaftsgebäude Lindenstraße 11 (1895) und an Scheune und Wohnhaus Lindenstraße 21. Das letztere wird im Ort als "Buffhaus" bezeichnet. Es hat durch den ehemaligen, jedoch bereits 1868 gestorbenen Eigentümer Georg Buff eine gewisse ortsgeschichtliche Bekanntheit erlangt, da dessen Tante Charlotte Buff 1772 als eine Jugendfreundin Goethes nachgewiesen ist. Spätere Kontakte zu dem Dichter sind 1803 und eine Besuch in Weimar 1816 belegt.

In der Ortsgeschichte kommt auch dem auf einer sehr klein bemessenen Parzelle am Steinweg angesiedelte jüdische Friedhof eine eigene Bedeutung zu. Der heute inmitten der Bebauung gelegene Begräbnisplatz wurde bei seiner Anlegung um 1898 wie üblich außerhalb des damaligen Ortskernes errichtet. Bis zum letzten Begräbnis 1928 bildet er für elf jüdische Mitbürger die letzte Ruhestätte. Um die Jahrhundertewende 1900 löste sich die Synagogengemeinde und der Schulverband auf, den Lohra zusammen mit Roth und Fronhausen bildete. In dieser Zeit wurde das ehemalige Rathaus am Lindenplatz 1 von der kleinen jüdischen Gemeinde als Synagogen- und Schulraum sowie Lehrerwohnung angemietet.

siteDesignation
flaechendenkmal
siteName
Marburg-Biedenkopf, Landkreis_Lohra_Lohra_Gesamtanlage
siteProtectionClassification
cultural
designationLegalDefinition
gesamtanlageHE