Das Stadtbild der denkmalgeschützen Gesamtanlage von Neustadt ist geprägt von einem Grundriß, der mit der Gründung der Stadt im Mittelalter angelegt wurde. Inmitten der ehemals sumpfigen Wiera-Auen erhebt sich über dem ovalen Umriß ein regelhaftes Netz aus Straßen und Gassen. Diese Form geht auf die planmäßige Anlage einer Burg und Stadt durch die Grafen von Ziegenhain zurück, die Neustadt um 1270 als Wasserfestung gründeten. Die Anlage war durch zwei Ringmauern befestigt, zwischen denen ein bis zu 48 m breiter Wallgraben lag, der von den Bachläufen aus der Wiera-Niederung gespeist wurde. Ihm war ein weiterer Wassergraben jenseits der äußeren Mauer vorgeschaltet. Der breite Wallgraben in seinem fortifikatorisch angelegten Oval läßt sich heute in dem bogenförmigen Verlauf von Mauer- und Ringstraße sowie von Ritter- und Schmiedegasse als deren südlicher Verlängerung exakt nachvollziehen.
Die Bebauung entlang der Ringstraße setzt sich aus kleineren Hofstellen zusammen, die zumeist aus zweigeschossigen Einhäusern bestehen; sie beherbergten in dem hohen Sockelbereich den Stall; in einem seitlichen Gebäudeteil war häufig die Scheune untergebracht, deren konstruktive Merkmale sich manchmal bis heute erhalten haben. Im nördlichen Teil der Ringstraße von Hausnummer 34 bis 78 drängen sich diese mit nur kleinster Hoffläche versehenen Bauten in dichter Anordnung, während der östliche Teil eher locker besetzt ist. Das Ortsbild in der Ringstraße wird insgesamt bestimmt von der breiten Straßenfläche, die sich aus der Verlegung des früher hier offenen Wiera-Bachlaufes unter die Erde ergibt und von der lebhaften Folge der giebel- wie traufständigen Fachwerkbauten. Die stadtinnere Straßenseite ist insbesondere im nördlichen Teil noch von Garten- und Grünanlagen durchsetzt.
Oberhalb und nordwestlich der Ringstraße ist im Bereich von Heidebrunnen-, Weidebrunnen-, Kleiner sowie Großer Brunnenstraße eine der beiden bereits im 17. Jh. entstandenen Vorstädte angelegt. Hier waren in einem Bereich enger und eher wenig planmäßig erschlossener Gassen auf zum Teil sehr kleinen Parzellen vor allem Handwerker und Tagelöhner angesiedelt. Die Gebäude schließen durch ihre besonders in der Heidenbrunnenstraße sehr geschlossene Anordnung die Siedlung nach außen hin wehrhaft ab.
Die zweite Vorstadt, deren Entstehung sich aufgrund einzelner noch erhaltener Bausubstanz ebenfalls ins 17. Jh. datieren läßt, befindet sich im Südosten des alten Stadtkerns. Entlang der Hindenburgstraße sind einige, heute zum Teil stark überformte Bauten aus dieser Zeit überliefert. In der Gründerzeit wurden dann auch im weiteren Verlauf der Straße nach Südwesten zahlreiche neue Hofanlagen gegründet.
Einen starken Entwicklungsschub erlebte die Stadt durch den Bau der Main-Weser- Bahn 1850. Der um diese Zeit entstandene Bahnhof ist in der Blickachse der Marktstraße südöstlich des historischen Stadtovals noch jenseits des Friedhofs und der Totenkapelle angelegt. Im Laufe des 19. Jhs. erweiterte sich die Bebauung beidseitig der Bahnhofstraße durch den nördlichen Abzweig der Kasseler Straße und durch den südlichen Im Hattenrod. Neben reinen Fachwerkbauten, die zum Ende des 19. Jhs. errichtet und häufig mit Holzschindeln verkleidet sind, findet hier die gemischte Bauweise aus Holzkonstruktion mit Ausfachung durch Ziegelsteine sowie der massive Backsteinbau des frühen 20. Jhs größere Verbreitung.
Eine Parallelentwicklung ist entlang der Marburger Straße um etwa die gleiche Zeit zu beobachten. In der nahen Verlängerung der Marktstraße, die bis in die Lehmkaute als Weg nach Momberg reicht, siedeln sich entlang der Marburger Straße bereits im 18. Jh. bäuerliche Gehöfte an, die in der Folgezeit durch villenartige Bauten ergänzt werden. Hier reift die Bauweise in Ziegelsichtmauerwerk bei den Hausnummern 17 und 25 zu einer handwerklichen Blüte.
Als Haupterschließung Neuststadts schneidet von Südost nach Nordwest nahezu geradlinig die Marktstraße das Altstadtgefüge in zwei Teile. Sie verläuft teilweise im Zuge der alten Landstraße durch "Die Langen Hessen", die als eine der wichtigsten mittelalterlichen Fernstraßen in Mittelhessen gilt. Am Kreuzungspunkt mit der Mauerstraße, dem Verlauf der inneren Ringmauer, befanden sich die beiden Stadttore, sie wurden 1788 bzw. Anfang des 19. Jhs. abgebrochen. Zwischen diesen beiden ehemaligen Stadteingängen reihen sich entlang der Marktstraße in geschlossener Folge giebelständige dreigeschossige Fachwerkhäuser, die in ihrem ältesten Bestand aus der ersten Hälfte des 17. Jhs. stammen, sich aber auch mit etlichen, zum Teil traufständig errichteten Ersatzbauten des 19. Jahrhunderts abwechseln.
Bestimmt wird das Straßenbild der Marktstraße durch die unterschiedlichen Fassadenoberflächen der Gebäude, die vom Sichtfachwerk über Verputz bis zum Behang mit Holzschindeln oder Asbestzementplatten reicht. Einen städtebaulichen Einschnitt erlebt die Straße durch den Marktplatz. Am Schnittpunkt mit der Kreuzgasse weitet sich ein Platz auf, an dessen Ostseite das zur Marktstraße traufständige und von daher sich unterordnende Rathaus plaziert ist. Seine Ursprünge gehen bis etwa 1360 zurück. Nach Südwesten etwas zurückgesetzt schließt sich die Pfarrkirche an. Die südöstliche und die nordwestliche Raumkante werden von zwei Gasthäusern gebildet, die beide noch weitgehend mit einem historischen Holzschindelbehang ausgestattet sind.
Innerhalb des Stadtgrundrisses übernimmt die Marktstraße auch die Funktion einer sozialen Gliederung. Während sich nördlich der Marktstraße zum Teil dicht gedrängt vornehmlich kleinere Ackerbürgeranwesen und Handwerker-Wohnhäuser befinden, sind im Süden Kirche, Rathaus, Pfarrhof mit Zehntscheune, Burgmannensitze und das ehemalige Schloß angesiedelt.
Auf der Fläche der Grünanlage südlich der Kirche war oberhalb der hier in Resten erhaltenen Stadtmauer der Burgsitz der Herren von Nordeck zu Rabenau beheimatet. Diese in Neustadt ehemals größte, wehrhafte Anlage stammte als Fachwerkensemble aus dem Jahr 1597, wurde jedoch 1969 vollständig abgebrochen. Als Überbleibsel bezeugt ein Brunnen den Standort der vormaligen Hofes. An diesen nach Südosten angegliedert ist der Bereich der ehemaligen Burg, die bereits um 1470 abgetragen und durch den Neubau des Schlosses ersetzt wurde. In diesem Zusammenhang entstand als vorgesetzter starker Festungsturm um 1481 der Junker-Hansen-Turm, der bis heute zusammen mit dem Turm der Pfarrkirche die Dachlandschaft der Stadt beherrscht.
Als ein Gebiet, das im unmittelbaren Zentrum des Altstadtkernes gelegen in sehr hoher Dichte bebaut ist, verdient der Bereich nördlich der Marktstraße besondere Erwähnung. Im engen Verlauf der Kreuz- und Mainzergasse und begrenzt durch die halbkreisförmig umschließende Bogenstraße drängen sich niedrige, teilweise bis heute bewirtschafte Kleinsthofanlagen und dreigeschossige Ackerbürgerhäuser. Anhand des inschriftlich auf 1624 datierten Baus Kreuzgasse 11 läßt sich ein Gebäudebestand registrieren, der zum Teil bis in die Zeit nach 1556 zurückreicht, als große Teile der Stadt im Zuge einer Belagerung abbrannten.
Die Bauweise der Ackerbürgerhäuser in Neustadt setzt sich in großen Teilen aus zwei- und dreigeschossigen Fachwerkgebäuden zusammen, bei denen das unterste Geschoß als Vorrats- und Stallzone für Tierhaltung ausgebildet und auch der meist ebenerdige Eingang eingeschnitten ist. Diese Lösung, keinen wesentlich unter Erdgleiche angelegten Keller zu erstellen, hat sich wegen der sumpfigen Bodenverhältnisse bereits bei den frühesten Bauten als notwendig erwiesen. Das Eingangsgeschoß ist in der Regel teilweise massiv in Bruchstein, zur anderen Hälfte in Fachwerk ausgeführt. Bei den dreigeschossigen Vertretern des 17. und 18. Jhs. ist diese etwas niedrigere Zone zusammen mit dem darüberliegenden Wohngeschoß noch in Ständerbauweise errichtet. An diesen Bereich schließt, etwa ein Drittel der Gebäudelänge einnehmend, die bis unter das aufgesetzte Rähmstockwerk reichende Scheunenzone an. Als handwerklich aufwendiges Detail ist die auch im Straßenbild deutlich werdende Anlage von Außentreppen an etlichen kleinen Wohnhäusern zu beobachten. Hier haben sich ein-, bisweilen zweiläufige sandsteinerne Freitreppen mit massiver Brüstung und überkragender, profilierter Podestplatte erhalten (Ringstraße 14 und 24, Hindenburgstraße 5, 6 und 17).