Was die Bahnhofstraße für Michelstadts Norden ist, ist die Erbacher Straße für den Süden, eine typische Ausfallstraße des 19. Jahrhunderts, die die "Obere Vorstadt" in Richtung Stockheim/Erbach fortsetzt. Die Gesamtanlage erstreckt sich vom Beginn der Erbacher Straße bis zu den Nummern 29 bzw. 28 und schließt das Anwesen Kellereibergstraße 1 mit ein. Die ersten Häuser, etwa bis zu den Nummern 13 bzw. 14/16, entstanden, ähnlich wie in der Bahnhofstraße, innerhalb weniger Jahrzehnte, ca. 1790 bis 1830. Wie dort stehen sie auf Abstand und halten eine leicht geschwungene Bauflucht ein. Ausnahmslos traufständig und zweistöckig, gelegentlich mit Zwerchhaus oder Gauben, vertreten sie jenen Typus klassizistischer Häuser, die lokale Baugewohnheiten und -formen fortsetzen, gleichgültig, ob es sich um Massiv-, Putz- oder Fachwerkbauten handelt. Es sind unprätentiöse Architekturen, die gleichwohl von guten baulichen Qualitäten sind und die Gediegenheit und den Wohlstand der Bewohner dieses sogenannten "Kuchenbacke-Viertels" (wo man alle Tage Kuchen ißt) augenfällig machen.
Unterschiedlich im Stil, ihrer späten Bauzeit gemäß, aber unverändert passender Ausdruck des hier weiterhin gegenwärtigen gehobenen sozialen Milieus, ist die anschließende Bebauung der Erbacher Straße. Spätklassizistischen Bauten der zweiten Jahrhunderthälfte (Nr. 17-21) folgen gute gründerzeitliche Landhäuser mit größeren Gärten, hin und wieder mit Anklängen des Jugendstils (Nr. 28) und des Heimatstils (Nr. 26). Einige öffentliche Gebäude von höherem baulichem Anspruch verdeutlichen den gehobenen Standard der Straße: das Gymnasium, das ehemalige Finanzamt und das Forstamt. Gleichsam als Apotheose - übrigens nicht mehr innerhalb der Gesamtanlage - beschließen die beiden prächtigen Fabrikantenvillen der Familie Arzt, weit hinter ihre schmiedeeisernen Parktore entrückt, das historistische Michelstadt.
Die Braunstraße war bis zu der Öffnung des "Neuen Tores" (1773) und dem Ausbau der Achse Neutorstraße - Friedrich-Ebert-Straße die einzige Ausfallstraße Michelstadts in Richtung Stockheim/Erbach. Vor dem 1810 abgetragenen "Oberen Tor" stand bis 1750 kein einziges Haus. Erst 1751/52 wurde das erste Wohnhaus, heute stark verändert, vor dem Tor erbaut. Bauherr war ein Tuchmacher, der sein früheres Anwesen am Marktplatz anläßlich der Erbauung des "Löwenhofs" veräußert und dafür einen Hausplatz auf dem "herrschaftlichen Damm" vor dem Obertor erstanden hatte. Seit den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts entstanden bis 1790 die einheitlichen Zeilen traufständiger, zweistöckiger Fachwerkhäuser, die durch die Hausabstände und die einheitlichen Baufluchten zum ersten Mal in Michelstadt einen übergeordnet planenden Stadtbau erkennen lassen. Es handelt sich um die sehr stattlichen Häuser Landwirtschaft treibender und sicherlich gut verdienender Handwerker (vor allem Rotgerber, aber auch Tuchmacher und Bierbrauer), die sich heute, nach der Zerstörung des Obertors, zwar optisch unmittelbar an den altstädtischen Trakt der Braunstraße (Kirchgasse) anschließen, durch ihre freistehende Position jedoch ihr Zugehören zur "Vorstadt" zu erkennen geben. Da dem Fachwerk der Fassaden ausnahmslos jegliche Geschoßüberstände fehlen und es andererseits einige schön gestaltete Freitreppen aus Haustein gibt, darf angenommen werden, daß ursprünglich sämtliche Häuser verschindelt oder sogar auf Steinimitation geputzt waren. Dafür sprechen auch das rein konstruktive Fachwerk und das Portal von Nr. 22, das, obwohl in Holz gearbeitet, Leibungsprofile wie ein Steinportal besitzt (vgl. auch Erbach, Städtel 13 und 22). Leider sind heute zahlreiche Häuser durch moderne Schaufenstereinbrüche im Erdgeschoß stark entstellt.
Optischer Abschluß der "Oberen Vorstadt" ist der Lindenplatz, der einstige Richtplatz mit der 1809 gefällten Zentlinde, dessen noch heute großenteils verschindelte Häuser mit den ersten Häusern der Friedhofstraße am Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Die Häuser sind nicht datiert, doch müssen sie zwischen 1800 und 1822 (Datum am Brunnen) erbaut worden sein, sicherlich kurz vor denen in der südlich weiterführenden Erbacher Straße.
Die Gesamtanlage umfaßt die ganze Braunstraße, beginnend von den ersten Häusern außerhalb der Mauern (Nr. 8-10 bzw. 13), den Lindenplatz, die ersten Gebäude der Friedhofstraße (bis Nr. 5 bzw. 8) sowie die Häuser Erbacher Straße 2 und Hochstraße 1.
Die Gesamtanlage besteht aus der "Unteren Vorstadt", die sich nach Beendigung des Dreißigjährigen Kriegs im Norden der Stadt vor dem "Unteren Tor" bildete. Sie umfaßt den äußeren Teil der Großen Gasse (östliche Seite Nr. 13-19, die Westzeile besteht aus Neubauten), ihre Verlängerung, die Schulstraße (bis Nr. 7 bzw. 6), den älteren Teil der Bahnhofstraße (Nordseite bis Nr. 13), die Waldstraße (beiderseits bis Nr. 57 bzw. 66), die Schäfergasse, die alte Schafscheuer (Jahnstraße 4) und Hochstraße 42. Im ältesten Teil der Vorstadt unterscheidet sich die Siedlungsstruktur nur unwesentlich von der dicht besiedelten Altstadt innerhalb der Mauern. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden jedoch entlang dem "Viehtrieb", dem alten Weg nach Weiten-Gesäß, an dem bis dahin nur ein gräfliches Hofgut ("Kalkhof", siehe Schulstraße 40) und die Walkmühle ("Neue Meisterei", siehe Waldstraße 105) lagen, Reihen von zumeist traufständigen Häusern: die heutige Waldstraße. Es sind ein- oder zweistöckige, auf hohem, massivem Keller-Stall-Sockel stehende ("gestelzte") Wohnhäuser mit auffallend großen zweiläufigen Freitreppen und Scheunen im hinteren Teil der Grundstücke. Die Häuser der Waldstraße geben, obwohl teilweise umgebaut, auch heute noch ein sehr einheitliches Bild ab, eine im Vergleich zur Braunstraße oder zur Erbacher Straße bescheidene Wohnkultur: Die Bewohner waren Handwerker (u. a. Tuchmacher, Nagelschmiede), Arbeiter und Tagelöhner, die auf nebenerwerbliche Landwirtschaft angewiesen waren.
Von mehreren Siedlungen, die in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts nach dem Reichsheimstättengesetz von 1917/18 zur Förderung von Hauseigentum für die minderbemittelte Bevölkerung in Michelstadt entstanden (u. a.: Jahnstraße 15-29, 1919/20; Jahnstraße 32-50 bzw. 37-43, 1922 ff.; Damaschkestraße, siehe Gesamtanlage, 1924/25), ist die Siedlung der sogenannten "Zeppelinhäuser" die größte. Der ältere Teil dieser mit städtischer Hilfe durch eine "Gemeinnützige Baugesellschaft" errichteten Häuser steht in der Waldstraße (Nr. 96-118) und am Beginn der Goethestraße (Nr. 1, 2, 3, 5). Es handelt sich um acht Doppelhäuser, einstöckige Putzbauten mit ausgebauten Dachgeschossen aus verschindeltem Fachwerk, die durch die originellen "Schiffskieldächer" eine höchst einprägsame Gestalt erhalten haben. Von den gebauchten Dächern rührt der volkstümliche Name "Zeppelinallee" her. Der Stadtbaumeister Jacob Meyer errichtete die Häuser in den Jahren 1923 und 1924. Sein Sohn und Nachfolger Anton Meyer, der das Amt des Stadtbaumeisters bis Anfang der 60er Jahre innehatte, fügte 1926/27 in der Goethestraße (Nr. 4-10 bzw. 7-13) kurze Reihenhauszeilen mit insgesamt acht Wohneinheiten hinzu: einstöckige, mit langen Satteldächern gedeckte, massive Bauten von großer Schlichtheit. Insgesamt eine stadtbaugeschichtlich interessante Siedlung, in der sich ländlich-heimische Bauformen mit der Idee der "Gartenstadt" verbinden.
Anlage des ummauerten Friedhofs vermutlich um 1535: auf einem Eingangsbogen soll diese Jahreszahl gestanden haben. Zu dieser Zeit wurde nach der Überlieferung eine 1502 erbaute Kapelle bei der "Stockheimer Eiche" (siehe "Kiliansfloss", Seite 490) abgetragen und hier wieder aufgebaut. Dafür spricht die Übereinstimmung der Kapellenmaße (12,60 x 6,30 m) mit den ergrabenen Fundamenten. Schlichter, rechteckiger Saal aus Bruchsteinmauerwerk mit Ortsquadern aus Haustein; Krüppelwalmdach; auf vier Säulen lagerndes Vordach, um 1900 von der Familie Arzt gestiftet. Die ältesten Grabsteine (16. bis 19. Jahrhundert) stehen an der Kapellenmauer. In einem gesonderten Bezirk sind die Gedenksteine bedeutender Michelstädter Bürger versammelt, u. a. des Gründers des Odenwald-Museums Rudolf Marburg; des Wohltäters der Stadt Georg Glenz (siehe Georg-C.-Glenz-Straße 9); des Gründers der Kaltwasseranstalt Dr. C. K. F. Scharfenberg. Künstlerisch bemerkenswert das Grabmal der Fabrikantenfamilie Arzt, für das der Münchner Bildhauer Schnitzer eine trauernde Frauenfigur fertigte. Kriegerdenkmal, 1870/71, bezeichnet J. Fischer, Groß-Umstadt, stand ursprünglich auf dem Viehmarktsplatz (Lindenplatz).
Die Gesamtanlage gliedert sich in zwei Bereiche, in das Schloß Fürstenau mit den umliegenden Gebäuden und Freiflächen sowie in den in der Nachbarschaft der Einhardsbasilika liegenden, auf ehemaligem Klostergebiet gewachsenen Teil des Dorfes, der noch weitgehend ältere Bebauung zeigt.
Der Bereich des Schlosses besteht überwiegend aus Grünflächen, deren größter Teil, der "Lustgarten", als Schloßpark Bestandteil der Sachgesamtheit Schloß Fürstenau ist. Im Süden schließen sich das landwirtschaftliche Anwesen des "Fürstenauer Hofs" und die "Seewiese" mit dem Schloßteich an, alles der Gemarkung Michelstadt zugehörig (siehe Michelstadt, Kulturdenkmäler), dem Schloßbezirk landschaftlich wie historisch jedoch eng verbunden, die Seewiese auch aus Gründen des Naturschutzes erhaltenswert. Der Schutzbereich wird durch den jenseits der zum Speisen des Schloßgrabens und zur Schloßmühle 1935 umgeleiteten Mümling gelegenen nördlichen Teil der Steinbacher Schulwiese vervollständigt, die von dem Steinbach bis zu zwei kleinen, alten Brücken durchflossen wird.
Der zweite Bereich, ältester vorklösterlicher Siedlungskern mit dem karolingischen Kirchentorso und einem ergrabenen frühmittelalterlichen Friedhof, umfaßt neben der Einhardsbasilika und den sie umgebenden Wiesen- und Gartenflächen die Häuser der Einhardstraße (gerade Nr. 104 bis 118) und der Schloßstraße bis Nr. 28 bzw. 29. Die Bebauung bildet an dieser Stelle im Gegensatz zur ursprünglichen Dorflage jenseits von Brückenstraße und Berg (Brombacher Weg) ein noch relativ geschlossenes Ensemble und enthält neben einem spätmittelalterlichen Wohnhaus überwiegend Gebäude des 18./19. Jahrhunderts sowie vereinzelte Bauten des frühen 20. Jahrhunderts, die sich dem älteren Bestand jedoch in sehr einfühlsamer Weise unterordnen. Die schlichte Gebäudegruppe von altem Schulhaus, ehemaligem Lehrerhaus, ehemaliger Bürgermeisterei und kleinem Spritzenhaus wahrt in respektvollem Abstand die Maßstäblichkeit gegenüber der Basilika.
Römisches Limes-Kastell, im 15. Jahrhundert "Bentzenburg" genannt, nur noch an Geländespuren erkennbar. Seit dem 18. Jahrhundert Sitz eines Jagdhauses der Fürsten zu Löwenstein-Wertheim, das mit seinen einzelnen Gebäuden, Kapelle, Gesindehaus, Gasthaus und Forsthaus eine Gebäudegruppe in einer Waldlichtung bildet. Der Platz soll seine Namen den "Heunen" (Hünen) bzw. den "Benzen" (Gespenster) verdanken.
Die Gesamtanlage beinhaltet die auf dem Gebiet der Wüstung Eulbach entstandene Gebäudegruppe des Jagdschlosses der Grafen von Erbach-Erbach einschließlich seiner Nebengebäude und seiner Einfriedung, die ehemalige Hofjägerei, den Englischen Garten sowie die teilweise parkartig angeordneten umgebenden Wiesenflächen vor begrenzender Waldkulisse (Molkenwiese, Pfriemenäcker, Marktplatz, Große Hofwiese). Die Gesamtanlage wird von der B 47 durchquert. Sie setzt sich aus den folgenden Flurstücken zusammen: a) Gemarkung Würzberg: Flur 15, Flurstücke 3, 11/1, 11/2, 12/2, 12/3, 13-20, 21/1, 23-26, 27/1, Flur 17, Flurstücke 4/2, 7, 8/2 Flur 21, Flurstücke 1-9. b) Gemarkung Weiten-Gesäß: Flur 23, Flurstücke 11 und 14.
Kellereibergstraße 2-30, Friedrich-Ebert-Straße 2, Hammerweg 2
Planvolle Stadterweiterung mit traufständigen, meist verschindelten Wohnhäusern, errichtet zwischen 1830 und 1834 nach der Mediatisierung der Grafschaft Erbach durch das Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Die Anlage steht in einer wichtigen baugeschichtlichen und städtebaulichen Beziehung zu der durch die Wallanlage getrennten Burganlage der Kellerei.
„ODENWALDBAHN (1)". .MÜMLINGTALBAHN"
026.5 Hanau- BabenhausenStreckeneröffnung: 01.05.1882Streckenlänge:19,99 km
026.1 Babenhausen - Groß-UmstadtStreckeneröffnung: 29.06.1870Streckenlänge:11,18 km
026.2 Groß-Umstadt - Groß-Umstadt / Wiebelsbach-HeubachStreckeneröffnung: 27.12.1870Streckenlänge: 3,94 km
026.3 Groß-Umstadt / Wiebelsbach-Heubach - ErbachStreckeneröffnung: 24.12.1871Streckenlänge: 22,27 km
026.4 Erbach - Beerfelden / HetzbachStreckeneröffnung: 01.03.1882Streckenlänge: 7,23 km
026.6 Beerfelden / Hetzbach - Hesseneck / KailbachStreckeneröffnung: 01.05.1882Streckenlänge: 10,69 km
026.7 Hesseneck / Kailbach - EberbachStreckeneröffnung: 27.05.1882Streckenlänge: 12,91 kmBauherr/Betreiber: Hessische Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft, Hessische Staatseisenbahnen (ab 1897)
Streckennummer (DB): 4113
Bahnstrecke:Dem größten privaten Eisenbahnunternehmen Hessens war von der großherzoglichen Regierung in Darmstadt zunächst 1868 eine Konzession für die Kernstrecke von Babenhausen nach Erbach ("Mümlingtalbahn") erteilt worden, ihr folgte eine zweite 1875 für die Teilstücke nach Hanau bzw. Eberbach. Dabei trachtete die nach dem Großherzog benannte "Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft" nach Verdichtung ihres südhessischen Bahnnetzes, für die als Voraussetzung zu dieser dritten und östlichsten Main mit Neckar verbindenenden Trasse bereits die weiter westlich parallele „Riedbahn" (Nr.020) projektiert war und als Querstrecke die „Rhein-Main-Bahn" zwischen Main und Aschaffenburg (1858) vorausging: wichtig sollte ebenso der Zusammenhang mit der zweiten Querstrecke von Darmstadt nach Wiebelsbach-Heubach werden. Daher musste der Streckenausbau in zwei Abschnitten im Abstand eines Jahrzehnts erfolgen. Die „Odenwaldbahn" verläuft, soweit es die geographischen Verhältnisse erlauben, konsequent in Nord-Süd-Richtung. Ihr größeres Drittel zieht sich z.T. geradlinig durch Mainebene und Rodgau und bietet kaum landschaftlichen Reiz. Er steigert sich ab Höchst i.Odw., wo die auf ein Fahrgkeis beschränkte Strecke entlang der Mümling flussauf ins Gebirge vordringt. Für ihr letztes Drittel durchbricht sie die Wasserscheide am Krähberg, hinter dessen Tunnel sie abwärts neben dem Iterbach dem Neckar zustrebt. Hohe Qualität ihrer standardisierten, dennoch leicht variierten Bahnbauten - Empfangsgebäude und Streckenwärterhäuser, Brücken und Tunnels- und der Buntsandstein als landschaftstypischem Baumaterial, erreichen Harmonie mit der Umgebung sowie zugleich herausragende Leistung im Ingenieurbau -wie im Himbächeltal oder am Krähberg. Mitsamt ihren vielfach noch erhaltenen bahntypischen Deils - Holzschwellen und Schranken, Formsignale, Spannwerke oder Telegrafenleitungen mit Holzmasten und Porzellanisolatoren - gilt die „Odenwaldbahn" als eine der schönsten Bahnstrecken Hessens (Kilometrierung von Süden bis Hbf Hanau bei km 88,14).